Förderverein der Gräflichen Sammlungen Schloss Erbach übergibt Kunstankauf

Die Freunde und Förderer der Gräflichen Sammlungen e. V. haben den Staatlichen Schlössern und Gärten Hessen (SG) ein Konvolut, bestehend aus vier Porträts, einem Album und einigen Briefen, übergeben, das sie im vergangenen und in diesem Jahr aus Privatbesitz angekauft haben. SG-Direktorin Kirsten Worms nahm die Schenkung am Donnerstag, den 27. Juni 2024, von dem Vorsitzenden des Vereins, Karl-Heinz Bless, im Schloss Erbach entgegen.

Erbacher Gräfin kehrt ins Schloss zurück

Eines der vier Bilder zeigt Gräfin Louise Charlotte Polyxene zu Erbach-Erbach (1755–1844), geborene zu Wartenberg und verwitwete Gräfin zu Erbach-Fürstenau, zweite Frau von Graf Franz I. zu Erbach-Erbach (1754–1823). Es ist in seinem Erscheinungsbild angelehnt an ein Gemälde der Gräfin in ganzer Gestalt, welches sich im Schlafzimmer der Beletage von Schloss Erbach befindet. Obwohl es unsigniert ist, lassen diese Ähnlichkeit, Stil und Qualität der Malerei den Schluss zu, dass es sich um ein Werk des königlich württembergischen Porträt-Hofmalers Wendelin Moosbrugger (1760–1849) handelt, dem im Schloss Erbach insgesamt fünf weitere Bilder zugewiesen werden können - darunter ein Porträt von Graf Franz I., das als Pendant zu seiner Gattin konzipiert ist. Die drei weiteren Porträts zeigen einen Herren, eine Frau und ein Mädchen. Der Familienüberlieferung des Verkäufers zufolge, der ungenannt bleiben möchte, sollen hier ein Kammerherr des Grafen zu Erbach und seine Familie dargestellt sein.

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Die Mitglieder des Fördervereins gemeinsam mit der Direktorin der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen, Kirsten Worms und Dr. Anja Kalinowski, Leiterin der Gräflichen Sammlungen

Foto: Stefan Schmitt, 2024

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Karl-Heinz Bless, Vorsitzender der Freunde und Förderer der Gräflichen Sammlungen e. V. ...

Foto: Stefan Schmitt, 2024

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...übergibt die vier Gemälde.

Foto: Stefan Schmitt, 2024

Schriftstücke geben Hinweise auf Abgebildete

In diesem Frühjahr tauchten aus derselben privaten Quelle ein Album und einige Briefe einer Charlotte Strauß auf. Das hauptsächlich aus Abschriften literarischer Werke bestehende Album gibt den Verweis auf eine Verbindung zum Grafenhaus: Die Kopie eines Geburtstagsbriefes an Gräfin Charlotte, der ursprünglich von Carl Strauß, vermutlich dem Ehemann der Albumbesitzerin, verfasst wurde. Mit diesen Informationen kann davon ausgegangen werden, dass das Porträt des Mannes den Kammerherrn des Grafen, Carl Strauß, zeigt und das weibliche Porträt seine Frau, Charlotte Strauß. Die junge Dame kann ihre gemeinsame, bisher namenlose, Tochter sein.

Bereicherung für sozialgeschichtliche Forschung

Vor diesem Hintergrund bieten die angekauften Stücke die Aussicht, den Fokus der Erbacher Forschung auf ein bisher wenig beachtetes Thema zu richten: den einstigen Hofstaat, die Höflinge und Bediensteten sowie die damit verbundenen sozialen Aspekte des Lebens im Schloss

Im Namen der Hessischen Schlösserverwaltung danke ich den Freunden und Förderern der Gräflichen Sammlungen e. V. sehr herzlich für die Schenkung ihres Ankaufs. Die Bilder und Schriftstücke erweitern nicht nur unsere Sammlungen, sondern tragen auch wesentlich zum Verständnis der Geschichte des Erbacher Grafenhauses und seines Hofstaates sowie der Struktur des Schlossbetriebs bei. Wir dürfen gespannt sein, welche Erkenntnisse sich bei genauerer Betrachtung und Erforschung ergeben.

SG-Direktorin Kirsten Worms

Erbacher Antiktag war Auslöser des Ankaufs

Der ehemalige Besitzer brachte im Herbst 2022 eines der vier Porträts zum Antiktag ins Schloss Erbach, um es von den Experten des Auktionshauses Dr. Fischer aus Heilbronn schätzen zu lassen. Da er die Vermutung äußerte, dass das Bild mit dem Erbacher Grafenhaus in Verbindung stehen könnten, begutachtete Dr. Anja Kalinowski, Wissenschaftliche Leiterin der Gräflichen Sammlungen, die Gemälde und erkannte die Ähnlichkeit mit dem im Schloss befindlichen Porträt der Gräfin Charlotte zu Erbach-Erbach. Die Freunde und Förderer der Gräflichen Sammlungen Schloss Erbach e. V. erwarben infolge vier Gemälde mitsamt den später hinzugekommenen Archivalien für einen Betrag von 2.000 Euro.

Die Schenkung heute können wir als wirkliches Happy-End dieser spannenden Geschichte betrachten. Wir freuen uns, dass unser Ankauf bei der Hessischen Schlösserverwaltung und besonders Frau Dr. Kalinowski in den besten Händen ist und laden Besucherinnen und Besucher herzlich ein, den Porträtierten im Schloss einen Besuch abzustatten.

Vereinsvorsitzender Karl-Heinz Bless

„Momente, wie die Entdeckung des Zusammenhangs zwischen dem angebotenem Bild mit den Werken Wendelin Moosbruggers im Schloss, sind schon sehr besonders“, so Dr. Anja Kalinowski. „Vermutlich gelangten die Gemälde als Zeichen der Wertschätzung in den Besitz der dargestellten Familienmitglieder. Jetzt haben sie wieder zurück ins Schloss gefunden. Wir werden die Porträts im Schlafzimmer der Gräfin zeigen, wo wir sie sehr gut in unsere Führungen durch die Gräflichen Sammlungen integrieren können.“

Wendelin Moosbrugger erhielt seine künstlerische Ausbildung an der Akademie des Kurfürsten Carl Theodor von der Pfalz (1724–1799) in Mannheim. 1810 ernannte ihn der Württembergische König Friedrich I. (1755–1844) zum Hofmaler. Hier dürfte auch die Verbindung zwischen dem Erbacher Hof und dem Maler zu suchen sein: Friedrich I. von Württemberg war ein Jugendfreund von Graf Franz I. Begegnungen der beiden sind bis ins hohe Alter belegt, darunter Jagden in württembergischen Gebieten. Auf diesem Wege könnte die Vermittlung des Malers nach Erbach erfolgt sein.

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Dr. Anja Kalinowski, Wissenschaftliche Leiterin der Gräflichen Sammlungen

Foto: Stefan Schmitt, 2024

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Die Porträts der Gräfin Louise Charlotte Polyxene zu Erbach-Erbach weisen eine erstaunliche Ähnlichkeit auf

Foto: Stefan Schmitt, 2024